Jun 13 2008

BAG: Altersteilzeit – Betriebsübergang während der Freistellungsphase

Das Bundesarbeitsgericht – 8 AZR 27/07 – hat entschieden, dass ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis eines sich in der Freistellungsphase befindlichen Arbeitnehmers bei einem Betriebsübergang auf den neuen Betriebsinhaber übergeht.

Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob und ggf. in welchem Umfange die Beklagte verpflichtet ist, Vergütungsansprüche aus der Freistellungsphase des zwischen dem Kläger und der bisherigen Betriebsinhaberin vereinbarten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu erfüllen.

Der Kläger war bei der E GmbH & Co. KG, der späteren Insolvenzschuldnerin, als einer von drei Einkaufssachbearbeitern beschäftigt. Zu der Einkaufsabteilung gehörten außerdem noch zwei Schreibkräfte.

Am 30. Juni 2001 hatten der Kläger und die E GmbH & Co. KG einen schriftlichen „Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit“ für die Zeit vom 1. August 2001 bis 31. Juli 2007 geschlossen. Vom 1. August 2001 bis 31. Juli 2004 sollte die Arbeitszeit voll geleistet werden (Arbeitsphase). Ab dem 1. August 2004 sollte der Kläger bis zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt werden (Freistellungsphase).

Am 27. Oktober 2003 wurde über das Vermögen der E GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Nebenintervenient der Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger wurde bis zum Ende der Arbeitsphase am 31. Juli 2004 weiterbeschäftigt. In der Freistellungsphase betrug sein Bruttoarbeitsentgelt 2.228,46 Euro, wovon 1.850,00 Euro insolvenzgesichert waren. Außerdem bezog der Kläger einen monatlichen Aufstockungsbetrag in Höhe von 712,70 Euro netto.

Zum 1. Juni 2005 erwarb die Beklagte Teile des Betriebes der Insolvenzschuldnerin, darunter deren Verwaltung. Im Einkaufsbereich hatte der Insolvenzverwalter zuletzt noch eine Schreibkraft beschäftigt, welche von der Beklagten übernommen wurde. Nicht übernommen wurden der Lackierbetrieb, die Reinigungsabteilung, der Werkschutz und einige Verkaufssachbearbeiter. (…)

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält, soweit sie Gegenstand der Revision der Beklagten ist, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Altersteilzeitarbeitsverhältnis des Klägers sei im Wege des Betriebsüberganges nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Diese hafte allerdings für die von der Insolvenzschuldnerin eingegangenen Verpflichtungen nach dem „Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit“ vom 30. Juni 2001 nicht uneingeschränkt, sondern nur für den Zeitraum, welcher der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bis zum Ende der Arbeitsphase am 31. Juli 2004 entspreche. Die Beklagte müsse daher erst ab dem 27. Oktober 2006 bis zum 31. Juli 2007 die aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis resultierenden Vergütungsansprüche erfüllen. (…)
Das zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Kläger begründete Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ab dem 1. Juni 2005 auf die Beklagte übergegangen.
Erfolgt der Betriebsübergang bereits während der Arbeitsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, tritt der Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten ein.
Bislang hat das Bundesarbeitsgericht allerdings noch nicht entschieden, ob ein im Blockmodell vereinbartes Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Falle eines Betriebsüberganges auf den Betriebserwerber übergeht, wenn sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges bereits in der Freistellungsphase befunden hat. Der Neunte Senat hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2004 (- 9 AZR 645/03 – NZA 2005, 527) ausdrücklich offen-gelassen. (…)
Die gegen einen Übergang von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch während der Freistellungsphase vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.

Der Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst auch Altersteilzeitarbeitsverhältnisse in der Freistellungsphase. Nach dieser Norm tritt im Falle eines Betriebs(-teil)überganges der neue Inhaber „in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein“. Ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist ein normales Teilzeitarbeitsverhältnis in Form eines (nachträglich) befristeten Arbeitsverhältnisses. Es besteht auch während der Freistellungsphase im Blockmodell weiter. In diesem Zeitraum ruht das Arbeitsverhältnis nicht, da wegen der fortbestehenden Vergütungspflicht des Arbeitgebers keine vollständige Freistellung von den beiderseitigen Hauptpflichten (Arbeits- und Vergütungspflicht) vorliegt . Die Besonderheit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell besteht darin, dass das während der Freistellungsphase zu zahlende Arbeitsentgelt Gegenleistung für die während der Arbeitsphase über die verringerte Arbeitszeit hinaus erbrachte Arbeitsleistung ist, der Arbeitnehmer also für eine Vorleistung nachträglich entlohnt wird. (…)

Liegt ein Betriebsteilübergang vor, ist Voraussetzung für den Übergang eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses während der Freistellungsphase allerdings, dass der Arbeitnehmer in Altersteilzeit dem übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen ist.

Allein der Umstand, dass dem Arbeitnehmer während der Freistellungsphase aktuell ein bestimmter Arbeitsplatz nicht mehr zugeordnet werden kann, führt nicht dazu, dass er von vorneherein vom Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auszunehmen ist. Auch ruhende Arbeitsverhältnisse, wie beispielsweise von in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmern, lassen sich aktuell keinem konkreten Arbeitsplatz zuordnen. Dennoch gehen sie bei einem Betriebsübergang mit über. In der zitierten Entscheidung hat der Senat § 613a BGB bei einem Betriebsübergang während des Erziehungsurlaubs nicht nur deswegen für anwendbar gehalten, weil das Wiederaufleben der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis in absehbarer Zeit erwartet werden könne. Dieses Argument diente lediglich zur Begründung, warum selbst bei beiderseitigem Ruhen der Hauptpflichten während des Erziehungsurlaubs ein Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses zum Betriebserwerber besteht.
Dem Übergang von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen in der Freistellungsphase steht auch nicht die Rechtsprechung des Siebten Senats entgegen. Nach dieser sind Arbeitnehmer mit Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit nach dem Blockmodell nicht mehr iSv. § 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG 1952 beschäftigt. Sie verlieren damit ihre Wählbarkeit als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. Auch werden sie bei der für die Anzahl der Betriebsratsmitglieder maßgebenden Belegschaftsstärke nach § 9 BetrVG nicht berücksichtigt. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass für die betriebsverfassungsrechtliche Berücksichtigung der Arbeitnehmer ihre Eingliederung in den Betrieb erforderlich ist, welche jedoch mit Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit endet. Für die Frage des Überganges eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber ist dagegen die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb ohne Belang.

Zum 1. Juni 2005 hat die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Teile des Betriebes der Insolvenzschuldnerin, darunter auch deren Verwaltung erworben. Im Einkaufsbereich beschäftigte der Insolvenzverwalter zuletzt noch eine Schreibkraft, die von der Beklagten übernommen wurde. Nicht übernommen wurden der Lackierbetrieb, die Reinigungsabteilung, der Werkschutz und einige Verkaufssachbearbeiter. Damit sind zumindest Betriebsteile der Insolvenzschuldnerin iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB einschließlich der Verwaltung durch Rechtsgeschäft auf die Beklagte übergegangen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Kläger als früherer Einkaufssachbearbeiter dem Verwaltungsbereich und damit einem auf die Beklagte übergegangenen Betrieb(steil) zuzuordnen ist. Zum Verwaltungsbereich gehörte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Funktion des Einkaufs; eine eigenständige Einkaufsabteilung gab es hingegen nicht mehr.

Die Zuordnung von Arbeitsverhältnissen, bei denen keine Beschäftigungspflicht (mehr) besteht, hat nach dem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz zu erfolgen. Hier hat das gleiche zu gelten wie bei der Zuordnung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern . Ein in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindlicher Arbeitnehmer hat zudem an seinem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz seine Vorleistung erbracht, dem Bereich dieses Arbeitsplatzes ist also seine Arbeitsleistung zugute gekommen, die nunmehr in der Freistellungsphase vergütet wird. Selbst wenn man Arbeitsverhältnisse ohne Beschäftigungspflicht mangels einer aktuellen konkreten Einsatzmöglichkeit der Verwaltung eines Betriebes zuordnen wollte, wäre im Streitfalle das Altersteilzeitarbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte übergegangen, weil diese den Verwaltungsbereich mitübernommen hat. (…)

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